Wie man große Politik macht: Impressionen von der Schulausschussitzung am 1.3.2023

Der Affenfels: Ein imposantes Rathaus auf der Spitze von Bensberg. So die Erwartung. In Echt standen wir am Abend des 1. März 2023 vor einem kurios geformten, braunen Zementhaufen, in dem die „Sitzung des Ausschusses für Schule und Gebäudewirtschaft“ stattfinden sollte. Wir waren nur aus einem einzigen Grund dort: Tagesordnungspunkt acht, namentlich „Mitteilung zum Mindestbedarf an zusätzlichen Räumlichkeiten der fünf städtischen Gymnasien zur Umstellung von G8 auf G9“, kurz „Was unsere Gymnasien brauchen, damit sie nicht bald aus allen Nähten platzen“.

Laut Sitzungsunterlagen sei es geplant, das DBG um 12 neue Klassenräume, einen weiteren Fachraum, sieben zusätzliche Differenzierungsräume, eine größere Mensa und eine Aula zu erweitern, da spätestens im Schuljahr 2025/2026 nicht mehr genug Platz für alle SchülerInnen sein wird. Wir fragten uns, wie das wohl umsetzbar sein soll, denn alle, die das DBG kennen, werden uns zustimmen, wenn wir sagen, dass auf dem Gelände nirgends Platz ist für 20 Räume, eine Mensa und eine Aula ist. In der Hoffnung, eine Antwort bekommen, und einen Artikel über die Zukunft unserer Schule schreiben zu können, besuchten wir also die Tagung.

Es war nicht überraschend, dass bei einer solchen, politischen Veranstaltung übermäßig viele AnzugträgerInnen und etwas steif anmutende Menschen zugegen waren. Sie begannen die Sitzung mit der Klärung diverser Formalitäten und nach kürzester Zeit befanden wir uns schon bei Tagesordnungspunkt 5, was bei der Durchschnittsgeschwindigkeit der Politik wie wir sie kennen beinahe als „High-Speed Arbeiten“ zu werten ist. Wir waren wirklich beeindruckt und uns packte die Hoffnung auf einen aufschlussreichen Abend und ein schnelles Ende. Für einen Moment. Für einen wirklich kurzen Moment. Denn dann begann die, in den Augen der Politiker wohl immens wichtige und absolut unverzichtbare endlos lange Diskussion über die Wasserversorgung und Toilettensituation der Integrierten Gesamtschule Paffrath. Man könnte jetzt meinen, das war langweilig, denn es geht eben um Wasser, genauer gesagt verkeimtes Trinkwasser, aber da hat man nicht mit der Schulleiterin der IGP gerechnet. Angelika Wollny stürzte sich beinahe Hals über Kopf in ein Wortgefecht mit der Stadtverwaltung, da ihr augenscheinlich wirklich viel an diesem Thema liegt. Sie warf der Stadt einiges vor, dass zum Beispiel der Karneval mehr Aufmerksamkeit bekomme als ihre SchülerInne und „lieben Kollegen“. Diese Haltung stieß beim Rat auf Unverständnis, denn die IGP habe doch erst seit 86 Tagen (seit dem 6.12.) ein bekanntes Problem mit der Trinkwasserversorgung. Die Kinder könnten eben einfach Trinken von Zuhause mitnehmen, da ist das Wasser ja nur gechlort, nicht verkeimt.
„Der Karneval musste in den letzten zwei Jahren schon genug leiden“, so einer der Politiker, der sich scheinbar persönlich angegriffen fühlte. Was soll man dagegen auch sagen? Der Karneval ist und bleibt einfach das Wichtigste. Wer braucht schon Wasser, wenn man Party haben kann.
So drehten sie sich im Kreis, die Direktorin drohte sogar damit, einen Mob besorgter Elter auf die Verwaltung loszulassen, wenn sie nicht bald brauchbare Informationen über ihr Herzensthema, das Wasser ihrer Schule, bekommt. Spätestens an diesem Punkt war Allen in Saal klar, wie ernst es ist. Nach viel zu langer Zeit kam der Ausschuss zum siebten Punkt der Tagesordnung, Die „Ausstattung der Sofortschulen KGS In der Auen und GGS Hebborn“. Man hätte über Themen wie die Digitalisierung der Grundschulen sprechen, oder sich Gedanken machen können, wo man die 28 fünfeckigen Einzeltische für die GGS Hebborn am besten kauft, damit sie dem Klima so wenig wie möglich schaden aber nein, es wurde lieber erneut über Toiletten und Abwasserrohre diskutiert. Wie man sie auf Lecks untersucht, warum sich keiner traut, die Anlagen zu reparieren, da sie einfach auseinander brechen könnten, wie der Unterricht aufgrund maroder Rohre in den Klos auszufallen droht und wie man den Datenschutz des Gutachter, die die Klos inspiziert hatten, wahren könnte. Es war eine weltverändernde Debatte, der wir da lauschten. Doch jeder Satz brachte uns ein winziges Stück näher zu Punkt acht, daher warteten wir weiter, mehr oder weniger geduldig.

Plötzlich sagte der Vorsitzende: „Wie ich sehe gibt es keine weiteren Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt sieben. Dann gehen wir weiter zu Tagesordnungspunkt acht.“, da machten wir uns schnell bereit zum Mitschreiben, in der Erwartung einer neuen, lang und breiten Diskussion über die Pläne für das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium. Doch dann redete der Vorsitzende weiter: „Gut, nichts zu diskutieren. Weiter zu Punkt neun…“
Es dauerte ein paar Sekunden bis wir realisierten, dass es nicht mal Informationen zu Sanitäranlagen oder Rohren gab. Wir hatten also vollkommen umsonst zwei Stunden unserer Lebenszeit damit verschwendet, Bergisch Gladbachs Schulausschuss bei Klogesprächen zuzuhören. Sollte sich jemand fragen, was die Politiker bei der Arbeit so machen: sie streiten sich über Toilettenanlagen!

Eine Glosse von Hannah Westphal (8c)
Recherchehilfe: Alwin Schüßler und Antonia Luigs (beide Q2)

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